Frederike Vernekohl

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf

Der Kläger bestellte zum privaten Zweck bei der Beklagten, welche als Onlinehändlerin u.a. Matratzen vertreibt, eine Matratze zu einem Kaufpreis von 1.094,52 Euro. In der Rechnung der Beklagten wurde auf die dort angegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hingewiesen, in denen auch eine „Widerrufsbelehrung für Verbraucher“ enthalten ist. Darin heißt es auszugsweise:

„[…]
Wir tragen die Kosten der Rücksendung
[…]
Ihr Widerrufsrecht erlischt in folgenden Fällen vorzeitig: Bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.“

Die Matratze war bei Lieferung an den Kläger mit einer Schutzfolie versehen, welche der Kläger in der Folgezeit entfernte.
Einige Tage nach der Lieferung machte der Kläger per E-Mail an die Beklagte von seinem Widerrufsrecht gebrauch und forderte die Beklagte auf, eine Spedition mit der Abholung der Matratze zu beauftragen. Die Beklagte veranlasste den erbetenen Rücktransport jedoch nicht, weswegen der Kläger den Transport der Matratze selbst zu Kosten von 95,59 Euro veranlasste.
Nunmehr verlangt der Kläger von der Beklagten die Erstattung des Kaufpreises und der Transportkosten zu insgesamt 1.190,11 Euro, nebst Zinsen.

Nachdem die Klage in den Vorinstanzen vor dem Amtsgericht und dem Landgericht Erfolg gehabt hat, legte die Beklagte Revision vor dem Bundesgerichtshof ein. Dieser bestätigte letztlich die Vorinstanzen.

Bei einem Kaufvertrag, den ein Verbraucher mit einem Online-Händler über eine Matratze schließt, die bei der Lieferung mit einer Schutzfolie versehen ist, handele es sich nicht gem. § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB um einen Vertrag zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene zur Rückgabe ungeeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wird. Daher steht dem Verbraucher auch dann das Recht zum Widerruf des Vertrages zu, wenn er die Schutzfolie entfernt hat.

Im Ergebnis und in der Begründung folgte der Bundesgerichtshof den Maßstäben, die der Europäische Gerichtshof auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 15.11.2017 hin in seinem Urteil vorgegeben hat (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27.03.2019- Az: C-681/17).
Der Senat des Bundesgerichtshofs hat dem Europäischen Gerichtshof u.a. die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die europarechtliche Vorschrift des Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrichtlinie, auf welche die deutsche Vorschrift des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB zurückgeht, dahingehend auszulegen sei, dass zu den Waren, die aus Gründen der Hygiene und des Gesundheitsschutzes nicht zur Rückgabe geeignet sind, auch Matratzen gehören.

Der Europäische Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass Matratzen nicht zu dieser Ausnahme gehören. Es sei nicht ersichtlich, dass Matratzen- auch wenn sie bereits benutzt wurden- allein deswegen endgültig nicht von Dritten wiederverwendet oder erneut in den Verkehr gebracht werden können. In den Hotels diene ein und dieselbe Matratze aufeinanderfolgenden Gästen, weswegen ein Markt für gebrauchte Matratzen bestehe und gebrauchte Matratzen einer gründlichen Reinigung unterzogen werden können.

Des Weiteren könne eine Matratze in Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt werden, das ebenfalls bei der Anprobe direkt mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommt.

Insofern genüge eine Reinigung oder Desinfektion der Matratze durch den Unternehmer den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes und der Hygiene. Danach können sie erneut verkehrsfähig gemacht und damit durch Dritte wiederverwendet werden.
Dennoch betonte der Europäische Gerichtshof, dass der Verbraucher trotzdem für jeden Wertverlust der Ware aufkommen müsse, welcher auf einen Umgang zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaft und Funktionsweise nicht erforderlich war.

Insofern stand dem Kläger ein Widerrufsrecht mit der Folge zu, dass die Beklagte Online-Händlerin den Kaufpreis und die Transportkosten an den Käufer zu erstatten hat.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Juli 2019 – VIII ZR 194/16)