Ausschluss des gesetzlichen Widerrufsrechts beim Onlineversand von Arzneimitteln

Für den servicegewohnten Kunden ist es üblich geworden, eingekaufte Produkte wieder umtauschen zu können. Vor allem der Onlinehandel begünstigt es, Waren auf einfache Weise zurückzusenden.

Auch in Apotheken wird versucht, Arzneimittel zurückzugeben, etwa weil diese doch nicht gebraucht worden seien. Jedoch ist eine Rücknahme von Arzneimitteln nicht ganz so einfach möglich.

Bei einem Kauf von Arzneimitteln vor Ort direkt in der Apotheke besteht eine Verpflichtung zur Rücknahme gemäß der gesetzlichen Gewährleistungsregelung beispielsweise dann, wenn das Arzneimittel mängelbehaftet war oder das falsche Arzneimittel abgegeben worden ist. Darüber hinaus bieten einige Apotheken freiwillig eine Rücknahme an – dies auf reiner Kulanzbasis.

Gemäß §16 der Apothekenbetriebsordnung sind Apotheken nämlich dazu verpflichtet, Arzneimittel übersichtlich und so zu lagern, dass ihre Qualität nicht nachteilig beeinflusst wird und Verwechslungen vermieden werden. Ein sachgemäßer Umgang und eine fachgerechte Lagerung sind erforderlich. Hat das Arzneimittel einmal die Apotheke verlassen, ist dies kaum noch zu gewährleisten. Die Apotheke kann nicht nachvollziehen, wie das Arzneimittel in der Zwischenzeit gelagert oder behandelt worden ist. So müsste ein zurückgenommenes Arzneimittel unter entsprechender Kenntlichmachung gesondert gelagert werden, bis die ordnungsgemäße Qualität festgestellt worden ist. Dies ist kaum zu bewerkstelligen. In aller Regel werden daher Arzneimittel, die von den Apotheken zurückgenommen werden, entsorgt.

Beim Onlineshopping besteht für den Kunden nun grundsätzlich die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen die Ware zurückzusenden. Es gibt gesetzlich geregelte Ausnahmefälle, in denen das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist. Beispielsweise besteht das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 2 BGB unter anderem nicht bei folgenden Verträgen:

– Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,

– Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,

– Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Dieser gesetzliche Ausschluss des Widerrufsrechts greift damit bei Rezepturen, die von der Apotheke individuell für den Kunden hergestellt werden. Wie aber ist die Rückgaberegelung in Bezug auf Fertigarzneimittel zu verstehen?

Vor Geltung des neue Widerrufsrechts seit 13.06.2014 war nicht ganz geklärt, ob der Ausschluss des gesetzlichen Widerrufsrechts auch bei Arzneimitteln gilt. Das Landgericht Halle hat mit Urteil vom 8.01.2013, Aktenzeichen 8 O 105/12, entschieden, dass sowohl individuelle Rezepturen als auch Fertigarzneimittel von der damals geltenden gesetzlichen Regelung zum Ausschuss des Widerrufsrechts umfasst sind. Das LG stellte fest, dass individuell hergestellte Rezepturen nach Kundenanforderungen individuell angefertigt und auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Ein Widerrufsausschluss war damit schon von der alten Regelung des §312d IV Nr. 1 BGB gedeckt.  Auch in Bezug auf den Versand von Arzneimitteln sollte dies gelten. Aus Gründen der Arzneimittelsicherheit seien auch Fertigarzneimittel nicht zur Rücksendung geeignet. Fertigarzneimittel dürfen aus rechtlichen Gründen der Sicherheit nach einer Rückgabe an die Apotheke nicht ohne weiteres ein zweites Mal in den Verkehr gebracht werden. Der versendenden Apotheke sei damit eine Rücknahme nicht zumutbar und Arzneimittel zur Rücksendung nicht geeignet. Mit dieser Entscheidung distanzierte sich das Landgericht Halle von der Rechtsprechung des Amtsgerichts Köln, das im Jahr 2008 noch entschieden hatte, dass ein Arzneimittel keine besondere Beschaffenheit aufweise, die es zur Rücksendung ungeeignet mache.

Durch das neue Widerrufsrecht gültig seit 13.06.2014 ist nach überwiegender Ansicht das Widerrufsrecht nun auch bei Fertigarzneimitteln gesetzlich geregelt: Nach der Gesetzesänderung gilt der Ausschluss des Widerrufsrechts auch für versiegelte Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt worden ist. Arzneimittel sind nach einhelliger Ansicht davon umfasst, wenn sie versiegelt versendet werden.

Unklarheiten bestehen allerdings noch bei den konkreten Voraussetzungen für eine hinreichende Versiegelung von Arzneimitteln. Die Europäische Richtlinie 2011/62/EU zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen sieht vor, dass die meisten verschreibungspflichtigen Arzneimittel und einige OTC-Arzneimittel künftig mit Sicherheitsmerkmalen versehen sein müssen (tamper evidence). Eine klare Regelung zu den Anforderungen an Versiegelungen gibt es derzeit noch nicht. Versandapotheken sollten daher für eine spezielle Verpackung von Fertigarzneimitteln oder Hygieneprodukten sorgen, so dass diese tatsächlich als versiegelt gelten und der Widerruf ausgeschlossen werden kann. Die Versiegelung sollte dabei für den Kunden als Siegel erkennbar sein. Dafür kann das Siegel als solches bezeichnet werden oder ein zusätzlicher Hinweis kann angebracht werden. Auch sollte die Versiegelung nicht spurlos entfernt und wieder angebracht werden können.

Vorerst bestehen in dieser Frage aber noch rechtliche Unsicherheiten  und damit auch eine Gefahr von Abmahnungen.    /15.03.2015/